21.8.08

Morbus Sisyphos


Ja, sagen Sie, was ist das gleich noch einmal, eine Arbeit?

Arbeit ist das, was man verrichtet, um Geld zu verdienen. Geld wiederherum ist das, um welches man sich allerhands Gesottenes und Gesülztes kaufen kann, das im Kühlschrank verschimmelt und versauert, weil man tagsüber, zur besten Brotzeit, arbeiten gehen muss. Geld, von dem man sich ein schnittiges Kraftfahrzeug kauft, das einen auf dem schnellsten Weg zur Arbeit trägt. Geld, das man anlegen kann, auf dass man noch mehr Geld habe, wenn man tot ist. Geld, um hinreißende HerrInnenoberInnenbekleidung zu erwerben, die man entweder nicht uff Arbeit tragen kann, darf, will oder daselbst kaputtschwitzt bzw. mit Kohlestaub besudelt. Geld für hochpreisige Unterhaltungselektronik, die so heißt, weil sie unterhalten werden muss, nicht weil sie unterhalten kann – is ja keiner da zum Unterhalten. Geld zum Abwinken. Geld zum Scheißen. Geld für Urlaub! Im Urlaub kann man die Arbeit mal vergessen, wozu aber nicht zu raten ist, denn wer seine Arbeit vergisst, kommt nie mehr aus dem Urlaub zurück. Geld, solches man in unbewohnbaren Wohnraum investiert, dessen Bewohner dortig nicht wohnen kann, sondern nur schlafen und parken. Geld für kleine, private Projekte, die deshalb klein und privat sind, weil nicht beruflich.

Geld für Schönes, Wahres, Gutes, allwelches unmeist teuer des Geldes gewesen sein soll, aber meist teuer der Zeit – Arbeitszeit. Geld für sonstige schöne Warengüter, siehe oben. Geld für FrauInnen, denn mit Geld lernt man viel schneller professionelle Personen kennen als mit anderem, man muss ja auch mal wieder zur Arbeit. Geld für die Welt (Spenden), denn es hat nicht ein jeder Arbeit in Eritrea und Brandenburg, daher auch keine schönen Warengüter, aber viel Zeit, die man nicht essen kann. Geld, um sich mal etwas zu gönnen, alles kann man sich mit Geld gönnen, alles, wozu man kein Tageslicht, keine Zeit und keine Ruhe benötigt und das keine Alkoholspätwirkungen hervorruft oder andere arbeitsbeeinträchtigende Unpässlichkeiten.

Geld zum Shoppen (dojcz für Einholen), soweit und solang Ladenöffnung durch Fremdarbeit gewährleistet ist, danach wollen die Shoppengewährleister selbst shoppen – sie ham’s ja (Geld). Die Herausforderung ist hier, die Shoppenkette nie abreißen zu lassen. Es muss für jeden tätig oder erleidend am Shoppenprozess Beteiligten allermindest ein halbstündiges Shoppenfenster zwischen dem eigenen Feierabend und dem eines anderen liegen. Ansonsten eben Schoppen im Internet koofen. Und Quarkteilchen. Und wie heißen diese in zahlreichen Farben erhältlichen amerikanischen Plastik-Clogs?

Geld als sanftes Ruhekissen, Geld als Bestätigung, Geld als harte Währung persönlicher Unabhängigkeit. Es ist nun dies die Unabhängigkeit von pfui Fremdgeld – nachgeschmissenem, womöglich vom Staate, der selbst keins hat. Arbeitsersatzgeld vom Staat ist unverdientes Geld, Geld, das man nicht verdient hat. Dieses Surrogat für Arbeit macht nicht an, da es weggeworfenes von anderen ist, welches man sich als Arbeitsbehinderter bei der Altgeldsammlung abholen darf. Es ist immer in den Farben des letzten Sommers und macht den Träger für sich selbst und für andere verächtlich, da man ihm seine Abhängigkeit ansieht. Während alle arbeiten und für den Fortgang des Geld- und Arbeitskreislaufs tüchtig mitangreifen, steht der zwar Arbeits-, aber nicht Geldlose zur Unzeit in schlangenfreien Supermärkten und zur Nebensaison an leergefegten Badestränden, wie ein Schatten echter Menschen. Indes dreht sich deren Welt unaufhaltsam weiter, während er auf einer alten Welt sitzengeblieben ist, die ihm bloß geschenkt ist, die er nicht erarbeitet und gekauft hat.

Ja, Geld macht die Welt rundgehen. Kein Tag mag sich recht neigen, dem keine Arbeit innewohnt. Niemals würde es Abend, nimmermehr Morgen, wenn nicht die Arbeit riefe. Die Zeit würde stillstehen und jeder Mensch würde jeweils ewig leben, wenn es keine Arbeit gäbe, die ihm Arbeitsstunden, -tage und -jahre abzählt und ihm einen Rentenanspruch verschafft, dessen Antritt den endgültigen Lebensfeierabend anzeigt.

(C) Foto: Dommy / aboutpixel.de

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Comments:
Endlich eine vorbildliche Verwendung des Binnen-I. Ich danke Ihnen!
 
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