27.11.07

To protect and serve

von Hartbert Juchtelbrenner (Bundesminisiter für Innerste und Äußerste Sicherheit, CSUSPD)

Die moderne Rechtsstaatlichkeit, rule of law, ist nicht auf meinem Mist, my manure, gewachsen wie es viele meine Kritiker offenbar wahrnehmen, sondern auf dem von zahlreichen toten weißen Franzosen und Engländern, die nicht aus Dojczland stammen, meine Damen und Herren, ja, indeed, nicht einmal aus Ländern, in denen man Dojcz spricht.

Dennoch, und das muss man uns Dojczen - also Ihnen, meine Damen und Herren, bros and hos - hoch anrechnen, haben wir jahrelang ihre Bücher gelesen, so wir denn lesen können - kurz: ich habe ihre Bücher gelesen - in der dojczen Zusammenfassung. Und die Gedanken dieser Ausländer, aliens, habe ich geruht, zur Verbesserung und Verschönerung der dojczen Rechtsstaatlichkeit, rule of friggin' law, auf unsere - sie haben es erraten: die dojczen - Umstände und Eigentümlichkeiten umzudojczen, auf dass auch Dojczland im Glanze äußerster und allerinnerlichster Sicherheit blühen und gedeihen möge.

Sicherheit, homeland security, beginnt nicht erst dort, wo sie längst aufgehört hat, also da, wo Terroristen oder sozial unterprivilegierte Franzosen auf brennenden Autos Cancan tanzen - nein, nope, Sicherheit beginnt in unser aller Herzen, harddrives, wo der Staat noch präventiv eingreifen kann, um durch strukturelle Vorvergewaltigung aufständlerische Gegengewalt zu verhüten, play it safe. Tatsächlich ist es nicht die Freiheit an sich, die ausgeschaltet werden muss, sondern nur die schlechte Freiheit, liberty gone bad, also die Freiheit, das zu tun, was ohnehin falsch ist. Auf diese sollte jeder anständige Bürger, upright citizen, ohnehin zu verzichten wissen, ist sie doch schlecht - und das bedeutet im weiteren Sinne: nicht gut, doubleplusungood. Wie der Herr Kollege Schäuble, Dr. Strangelove, es vielleich ausdrücken würde: zu viel Freiheit gefährdet das höchste Gut, supreme good, das wir als Demokraten kennen - die Freiheit. Wenn erst die Freiheit unserer Autos von Flammen nicht mehr gewährleistet ist, muss natürlich die Freiheit, Autos anzuzünden, empfindlich eingeschränkt werden, wenn auch morgen noch dojcze Autos zum Anzünden übrig sein sollen.

Gute Nacht, Deutschland! Good night, and good luck!

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22.11.07

The day I put a jihad on the infidels

Rendition

Bis I'm not there und The Darjeeling Limited ist noch viel Zeit, und ich schaue Überraschungsfilme. So nun Rendition, was Amerikanisches. Im Kino erfuhr ich, dass irgendjemand eine Kugel für mich abgefangen hat und ich diese Woche Rendition sehen durfte und nicht letzte Woche Lions for Lambs sehen musste. Ich gehe mal davon aus, dass ich hier - trotz einiger offensichtlicher und unsubtiler Hollywood-Schnörkel wie Fernwest-Nahost-Mucke zur Untermalung von Selbstmordbombardements und Jake Gyllenhaal - das redlichere Machwerk verkosten durfte.

So gab es sauber geschriebene Dialoge, feines Spiel in allen Rollen (egal, ob bekannt oder unbekannt besetzt) - und zwar ein Happy-End, aber mit bedrohlicher Musik und ohne dass man erfahren würde, ob X sich jetzt wirklich Y zu Schulden hat kommen lassen. Hier ist übrigens die Stelle, wo ich wieder hart an die Spoilergrenze rangeschifft bin, um im letzten Moment noch zurückzurudern. Puh. Noch mal zum Zu-Schulden-kommen-Lassen: der Film beschäftigt sich dankenswerterweise nicht mit der Schuld der Terroristen (das wäre müßig und eine Einladung zur Propaganda), sondern mit dem Schuldverdacht und der Praxis des Umgangs mit dem Verdacht in der Praxis der extraordinary rendition. Natürlich wird hier Amerika angeschwärzt, aber die Moralkeule saust nur auf die ohnehin Doofen im Publikum hernieder. Der Film dreht sich um die Charaktere, nicht um das System, in dem sie strampeln oder andere strampeln machen. So dürfen gerade Auslassungen als Stärken des Films zählen: keine Texttafel-Einleitung "Seit 1995 hat der CIA 1209 Kinder gefressen.", kein fades Bush-Bashing, kein Jesus. Ein Spielfilm.

1/2

Nachtrag: Während der Entstehung dieser Rezension klingelten religiöse Fundamentalisten an der Tür (Mission an der Haustür mag nicht terroristisch sein, aber ich halte es für fundamentalistisch und kreuzlästig, weil man unnötig zur Ausübung von Nächstenliebe und Toleranz gezwungen wird, wodurch die Jesusgeilen ironischerweise zur Erschöpfung der nationalen Nächstenliebe- und Toleranzreserven beitragen). Ich zitiere also aus gegebenem Anlass aus dem Wachtturm zum 1. Dezember 2007:
Jehova versprach seinem verherrlichten Sohn: "Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde als Schemel für deine Füße hinlege" (Psalm 110:1). Zu den "Feinden" zählen Satan, der schlimmste Verbrecher, und alle, die seinen "Samen" ausmachen. Als König des messianischen Königreiches Jehovas übernimmt Jesus Christus die Führung darin, alle Rebellen - im Himmel wie auf der Erde - zu beseitigen (Offenbarung 12:7-9; 19:11-16; 20:1-3, 10).

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9.11.07

Talk 'n walk

Wer mal so richtig für das "Show" in Talkshow zuständig sein möchte, dem stehen bekanntlich drei Verhaltensauffälligkeiten zur Verfügung, um seine körperliche Ab- und/oder Anwesenheit richtig zu performen:
Ob man selbst geht oder ob man gegangen wird, ist herzlichst einerlei. In beiden Fällen ist klar: das Publikum ist eben nicht reif für die radikale Offenheit, mit der der Quitter (Mediendeutsch) Problemlage X anprangert, Gast Y - die Sau - zur Sau macht oder Moschusduft Z verströmt. In den ersten beiden Fällen handelt es sich um metaphorische Offenheit, im letzten um das sperrangelweite Offenstehen von Drüsen oder ähnlichen körpereigenen Olfaktoren.

Wer stets zu Gast ist, ist der Zeitgeist; ihm nicht beiwohnen und -pflichten zu wollen, bleibt dem Quitter als Allerletztbegründung, auch wenn sich die Diskursverweigerung partout nicht an bestimmten Anwesenden und deren unerträglich bornierten Einstellungen festhaken lässt. Und es findet sich auch immer ein diffuses und offenbar begründungsunbedürftiges Einverständnis darüber, dass die Anwesenheit des Quitters und die wohltuende Inklusion der übrigen Anwesenden unvereinbar gehalten werden sollen. Die Verwendung von Faschisten-Buzzwords wie Autobahn entlarvt den Antidemokraten, mit dem sich die Mehrheitsgesinnungsdemokraten nicht abgeben müssen; sein Ausschluss steigert die demokratische Gesinnungsmehrheit und das gute Gefühl, zu Hause zu sein.

Autobahn zu sagen oder Eva Herman zu sein ist allzu einfach; mit diesen Zutaten kann jeder überall rausfliegen. Ich finde es viel kitzliger, mit abstrusen Überzeugungen zu verstören, die ich am liebsten als tief verwurzelt und aus dem ganzen Redwood-Stamm der Lebenserfahrung geschlagen darzustellen mich befleißige, etwa der emphatisch vorgetragenen Ansicht, Helmut Schmidt sei eine Knackwurst.

Erstklassiges Material zur Irritation der Mehrheitsmeinung lässt sich auch aus subversivem Halbwissen brechen. Da, wo ich wohne, verehrt man tote weiße Männer wie den toten weißen Landgrafen Philipp, gemeinhin mit dem Zusatz der Großmütige belegt, sowie den weiblichen toten weißen Mann, der noch viel mehr verehrt wird, den Heiligen Elisabeth. Nun kann ich mich nur auf irgendwo Aufgeschnapptes berufen, wenn ich Philipps feudalen Beinamen durch der Bauernschlächter austausche und Elisabeth als gestörte Masochistin bezeichne, und keinesfalls fußnotenfähige Literaturangaben machen, die meine haltlosen Verunglimpfungen untermauern würden. Nun glitzern diese Unterstellungen aber dennoch, nicht aus gelehrter Wissenschaft, doch aber schon allein deshalb, weil sie so herrlich minderheitlich daherkommen. Alles feiert die beiden Lokalhechte, nur ich bin herrlich unangepasst, und die Maschine des demokratischen Miteinanders flutscht durch das Mehr an Meinung gleich viel besser. Und vielleicht würde es sogar für meine standrechtliche Verbannung aus einer Podiumsdiskussion an einem örtlichen Gymnasium langen, das eine solche Veranstaltung mit ortsansässigen Historikern und Kirchenfürsten für geeignet halten könnte, um einen den Schülern aufgezwungenen, aber unter diesen nicht unpopulären Glorifizierungsmarathon zum Abschluss zu bringen, der im Rahmen einer Projektwoche mit dem Titel Lisbeth und Phil - Wie geil sind die denn?!:) stattfinden würde. Dort würde ich im Übrigen meine Performance durch eine trudelnde Motorik abrunden, wie sie laut Fachliteratur für die frühkindliche Entwicklung typisch ist. Dem besonderen Publikum und seinem spezifischen Entrüstungspotenzial würde ich zudem durchs vorherige Anlegen dieses T-Shirts Rechnung tragen.

Warum ich auf eine Podiumsdiskussion mit Dorfpfaffen und -historikern eingeladen würde? Das steht auf einem anderen Blatt.

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7.11.07

Fisch, Fisch, toter Mensch, Fisch

Hier die Interpretation als Walkthrough für Jindabyne - Irgendwo in Australien:

Der Universal-Cheat lautet:

die Banalität des Bösen (Groß- und Klein-Schreibung beachten).

Eine wertlose Information über einen Film, den sowieso niemand sehen wird? Vielleicht, aber ich musste ihn sehen (Überraschungs-Kino), und ich will verdammt sein, wenn ich nicht meine Meinung über alles hinausplärren darf.

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Flaschen-Post

Manche Blogs haben viele Hits, viele Leser, viel Content. Dieses nicht. Es hat ungefähr einen Leser - ich nenne ihn mal zu seinem Schutz Tom Lauderdale -, und dieser macht seine Singularität einerseits durch bedingungslose Treue wett, andererseits auch durch eine penetrante Konsumhaltung. Anstatt RANZIG @ DANZIG (was für ein blöder Titel eigentlich, hat mit nichts nichts zu tun und nicht mal alles mit allem) den gesunden Frei-Feuilletod sterben zu lassen, verlangt es diesen nach Behandlung müder Wunschthemen wie Palischal-Trendbewertung.

Er ist übrigens dagegen. Aber seine Meinung will er hier offenbar noch mal lesen. Sich selbst ein Blog zu basteln, kommt natürlich nicht in Frage, nein, da werden eher die Toten noch mal für einen geilen Leichentanz bemüht. Der Tod tanzt im Palischal, Arafat-Style, kauft bei H&M (Hitler & Mussolini?) ein, und ich kriege Kopfschmerzen. Ich bin völlig unqualifiziert, über Palischal-Trends und Krypto-Entpolitisierung modischer Halsgehänge zu schreiben, denn ich bin kein Student mehr und habe auch während meines vergangenen Studentenseins nicht den Absprung in die ach so jugendliche Redaktion ach so jugendlicher Magazin-Ableger wie Neon (Stern) und Leben (Zeit) geschafft, was die einzige andere Rechtfertigung wäre, als Erwachsener über Palischals zu schreiben.

Zu den Palischals also: Es ist okay, einen Palischal zu tragen, wenn man:

a) es möchte.

Gleichzeitig gestatte ich es allen Linken, egal, ob sie für, gegen oder für gegen Israel sind, öffentlich in der Innenstadt vor Hitler & Mussolini Vorträge über die von ihnen für legitim erachtete Palischal-Motivation zu halten und kleinen Rotzbäckchen mit hängenden Hosen zu erklären, dass sie damit Stellung zu der politischen Frage beziehen, ob schwarze Neger in amerikanischen Gefängnissen mit Gürteln ausgestattet werden sollen oder nicht. Wenn sich da dann alle zum herrschaftsfreien Diskurs in der Fußgängerzone versammeln und Habermas anreist, um endlich mal eigentlich apriorisch gewonnene Handlungsregulativa empirisch zu beobachten, freue ich mich, bleibe aber zu Hause. Ich schreibe dann etwas ins Internet, etwas, das prinzipiell jeder lesen könnte, aber niemand liest. Außer Tom natürlich. Hallo, Tom.

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