9.11.07

Talk 'n walk

Wer mal so richtig für das "Show" in Talkshow zuständig sein möchte, dem stehen bekanntlich drei Verhaltensauffälligkeiten zur Verfügung, um seine körperliche Ab- und/oder Anwesenheit richtig zu performen:
Ob man selbst geht oder ob man gegangen wird, ist herzlichst einerlei. In beiden Fällen ist klar: das Publikum ist eben nicht reif für die radikale Offenheit, mit der der Quitter (Mediendeutsch) Problemlage X anprangert, Gast Y - die Sau - zur Sau macht oder Moschusduft Z verströmt. In den ersten beiden Fällen handelt es sich um metaphorische Offenheit, im letzten um das sperrangelweite Offenstehen von Drüsen oder ähnlichen körpereigenen Olfaktoren.

Wer stets zu Gast ist, ist der Zeitgeist; ihm nicht beiwohnen und -pflichten zu wollen, bleibt dem Quitter als Allerletztbegründung, auch wenn sich die Diskursverweigerung partout nicht an bestimmten Anwesenden und deren unerträglich bornierten Einstellungen festhaken lässt. Und es findet sich auch immer ein diffuses und offenbar begründungsunbedürftiges Einverständnis darüber, dass die Anwesenheit des Quitters und die wohltuende Inklusion der übrigen Anwesenden unvereinbar gehalten werden sollen. Die Verwendung von Faschisten-Buzzwords wie Autobahn entlarvt den Antidemokraten, mit dem sich die Mehrheitsgesinnungsdemokraten nicht abgeben müssen; sein Ausschluss steigert die demokratische Gesinnungsmehrheit und das gute Gefühl, zu Hause zu sein.

Autobahn zu sagen oder Eva Herman zu sein ist allzu einfach; mit diesen Zutaten kann jeder überall rausfliegen. Ich finde es viel kitzliger, mit abstrusen Überzeugungen zu verstören, die ich am liebsten als tief verwurzelt und aus dem ganzen Redwood-Stamm der Lebenserfahrung geschlagen darzustellen mich befleißige, etwa der emphatisch vorgetragenen Ansicht, Helmut Schmidt sei eine Knackwurst.

Erstklassiges Material zur Irritation der Mehrheitsmeinung lässt sich auch aus subversivem Halbwissen brechen. Da, wo ich wohne, verehrt man tote weiße Männer wie den toten weißen Landgrafen Philipp, gemeinhin mit dem Zusatz der Großmütige belegt, sowie den weiblichen toten weißen Mann, der noch viel mehr verehrt wird, den Heiligen Elisabeth. Nun kann ich mich nur auf irgendwo Aufgeschnapptes berufen, wenn ich Philipps feudalen Beinamen durch der Bauernschlächter austausche und Elisabeth als gestörte Masochistin bezeichne, und keinesfalls fußnotenfähige Literaturangaben machen, die meine haltlosen Verunglimpfungen untermauern würden. Nun glitzern diese Unterstellungen aber dennoch, nicht aus gelehrter Wissenschaft, doch aber schon allein deshalb, weil sie so herrlich minderheitlich daherkommen. Alles feiert die beiden Lokalhechte, nur ich bin herrlich unangepasst, und die Maschine des demokratischen Miteinanders flutscht durch das Mehr an Meinung gleich viel besser. Und vielleicht würde es sogar für meine standrechtliche Verbannung aus einer Podiumsdiskussion an einem örtlichen Gymnasium langen, das eine solche Veranstaltung mit ortsansässigen Historikern und Kirchenfürsten für geeignet halten könnte, um einen den Schülern aufgezwungenen, aber unter diesen nicht unpopulären Glorifizierungsmarathon zum Abschluss zu bringen, der im Rahmen einer Projektwoche mit dem Titel Lisbeth und Phil - Wie geil sind die denn?!:) stattfinden würde. Dort würde ich im Übrigen meine Performance durch eine trudelnde Motorik abrunden, wie sie laut Fachliteratur für die frühkindliche Entwicklung typisch ist. Dem besonderen Publikum und seinem spezifischen Entrüstungspotenzial würde ich zudem durchs vorherige Anlegen dieses T-Shirts Rechnung tragen.

Warum ich auf eine Podiumsdiskussion mit Dorfpfaffen und -historikern eingeladen würde? Das steht auf einem anderen Blatt.

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